Finanzielle Schieflage: Kommunen verzeichnen 2024 Rekorddefizit
Die Finanzlage der Kommunen hat sich im vergangenen Jahr dramatisch verschlechtert. Sie verbuchten ein Defizit von fast 25 Milliarden Euro. Ein Grund sind die stark gestiegenen Sozialausgaben der Städte und Landkreise.
Michael Gottschalk/photothek.net
Kämmerer mit leeren Taschen (Symbolfoto): Die Einnahmen der Kommunen reichen nicht mehr aus, um die steigenden Ausgaben zu decken.
Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat neue Zahlen zur finanziellen Situation der Kommunen veröffentlicht. Demnach wiesen die Kern- und Extrahaushalte der Gemeinden und Gemeindeverbände (ohne Stadtstaaten) im Jahr 2024 ein Finanzierungsdefizit von 24,8 Milliarden Euro auf. Dies sei das höchste kommunale Finanzierungsdefizit seit der deutschen Vereinigung im Jahr 1990. Wie stark sich die Finanznöte der Kommunen verschärft haben, zeigt auch der Vergleich mit dem Vorjahr: 2023 hatte das Defizit noch 6,6 Milliarden Euro betragen.
Zur Erklärung: Mit Kernhaushalt wird der Haushalt einer Kommune im engeren Sinne bezeichnet. Zu den Extrahaushalten zählen Einrichtungen und Unternehmen, die der Kommune zuzurechnen sind. Laut Destatis ist das hohe Defizit im Jahr 2024 vor allem auf die Kernhaushalte zurückzuführen. Bei den Extrahaushalten betrug es nur 0,5 Milliarden Euro.
Gestiegene Sozialausgaben
Weiter teilt das Destatis mit, dass im vergangenen Jahr 6,2 Prozent der kommunalen Ausgaben nicht durch reguläre Einnahmen gedeckt waren. Sie mussten also entweder aus Rücklagen oder mit Krediten finanziert werden.
Die bereinigten Ausgaben der kommunalen Kernhaushalte sind 2024 um 8,8 Prozent gewachsen (+ 29,4 Milliarden). Das liegt unter anderem an den Sozialleistungen: In diesem Bereich sind die kommunalen Ausgaben binnen eines Jahres um 11,7 Prozent gestiegen (+ 8,9 Milliarden Euro). Insgesamt beliefen sie sich auf 84,5 Milliarden Euro. Hauptgründe für den Anstieg sieht das Statistische Bundesamt darin, dass die Regelsätze in der Sozialhilfe und im Bürgergeld zum 1. Januar 2024 angepasst wurden. Die höheren Sätze hätten auch dazu geführt, dass mehr Menschen die Leistungen in Anspruch nehmen können.
Im Einzelnen bedeutet das:
- Ausgaben für Sozialhilfe (SGB XII) sind um 12,4 Prozent gestiegen.
- Für die Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII) mussten die Kommunen 17,1 Prozent mehr Geld aufwenden.
- Die Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderungen (SGB IX) sind für die Kommunen 13,6 Prozent teurer geworden.
- Für das Bürgergeld (SGB II) einschließlich Bildungspaket mussten die Kommunen 4,4 Prozent mehr Geld aufwenden, unter anderem wegen gestiegener Mieten und höherer Heizkosten.
- Leistungen für Asylbewerber stiegen leicht um 3,3 Prozent.
Mehr Personal und höhere Tarife
Die Personalausgaben sind ebenfalls deutlich gestiegen, nämlich um 8,9 Prozent. Das liegt zum einen daran, dass Kommunen weiteres Personal eingestellt haben. Zum anderen gab es Tarifsteigerungen. So wurde für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen vereinbart, dass alle Beschäftigten ab März 2024 zunächst 200 Euro mehr bekommen und die Entgelte anschließend noch einmal um 5,5 Prozent angehoben werden.
Die Einnahmen der Kommunen konnten mit den stark steigenden Ausgaben nicht Schritt halten. Gegenüber dem Vorjahr stiegen die bereinigten Einnahmen der Kernhaushalte um 3,5 Prozent (+11,4 Milliarden Euro). Die Steuereinnahmen erhöhten sich sogar nur um 1,5 Prozent. Im Einzelnen:
- Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer stiegen um 0,3 Prozent.
- Die Grundsteuereinnahmen erhöhten sich um 4,0 Prozent.
- Die kommunalen Anteile an den Gemeinschaftssteuern brachten 2,1 Prozent (Einkommenssteuer) beziehungsweise 0,7 Prozent (Umsatzsteuer) mehr Geld.
Nur etwas mehr Geld von den Ländern
Die Schlüsselzuweisungen der Länder an die Kommunen erhöhten sich um 2,0 Prozent. Einen deutlichen Anstieg von 7,5 Prozent gab es bei den Einnahmen aus Verwaltungs- und Benutzungsgebühren.
Die Zahlen sind noch vorläufig und beruhen auf der vierteljährlichen Kassenstatistik des Statistischen Bundesamtes.
Städte fordern strukturelle Reformen
Der Deutsche Städtetag forderte weitreichende Reformen in der Finanzordnung von Bund, Ländern und Kommunen. Die Kommunen könnten das hohe Defizit nicht ansatzweise aus eigener Kraft auffangen, erklärte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Die Zahlen übersteigen unsere ohnehin schon schlimmen Erwartungen. Die Lage der kommunalen Haushalte ist katastrophal.“
Bund und Länder hätten den Kommunen in der Vergangenheit immer mehr Aufgaben zugewiesen, ohne gleichzeitig dafür zu sorgen, dass sie finanziert werden können, kritisierte Dedy. „Die Kommunen tragen etwa ein Viertel der gesamtstaatlichen Ausgaben, haben aber nur ein Siebtel der Steuereinnahmen. Das kann so nicht weitergehen.“
Der Deutsche Landkreistag schlägt vor, den kommunalen Anteil an der Umsatzsteuer zu verdreifachen. Das würde jährlich zwischen elf und zwölf Milliarden Euro zusätzlich in die Kassen spülen. Potenzial für Einsparungen gebe es zum Beispiel beim Bürgergeld, erklärte Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke. Zu den neuen Zahlen sagte er: „Das kommunale Defizit steigt damit in bislang unbekannte Dimensionen und ist nahezu dreimal so hoch wie das bisherige Rekorddefizit aus dem Jahr 2003.”
Weiterführende Informationen:
destatis.de
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.